Basel, 17. Oktober 2006
Sperrfrist: 18. Oktober 2006, 6.00 Uhr
Der Rhein ist tot" verkündeten die Medien, nachdem das Ausmass der durch die Brandkatastrophe in Schweizerhalle entstandenen Schäden im Fluss sichtbar wurden. 20 Jahre nach diesem erschütternden Ereignis wird in Basel Bilanz gezogen, mit zum Teil überraschenden Ergebnissen: Der Brand von Schweizerhalle hat viel ausgelöst – auch für den Rhein.
Die Brandkatastrophe hat landesweit eine intensive Risiko-Diskussion ausgelöst. Als Reaktion auf die Brandkatastrophe entwickelte der Bund eine Verordnung über den Schutz vor Störfällen. In den Kantonen Basel-Stadt und Baselland wurde die Umweltschutz-Verwaltung ausgebaut. Es wurden spezielle Stellen für die Katastrophenvorsorge und den Katastrophenschutz geschaffen. In Betrieben mit gefährlichen Stoffen wurden die Lager verkleinert oder aufgeteilt und Rückhaltebecken für Löschwasser erstellt. Genaue Eingangs- und Ausgangsstatistiken geben nun jederzeit Auskunft über die Menge und den exakten Ort der gelagerten Stoffe. Ein neu eingerichtetes Netz von Messstationen entlang dem Rhein erlaubt die rasche Erfassung von Schadstoffen im Wasser.
Die Rheinüberwachungsstationen zeigen insgesamt ein positives Bild: Das Wasser des Rheins war in den letzten 100 Jahren nie so sauber wie jetzt. Deutlich zurückgegangen ist die Belastung mit organischen Stoffen und Schwermetallen. Um durchschnittlich 3°C zugenommen hat hingegen die Temperatur des Rheinwassers. Hauptursachen dafür sind die vielen Kühlanlagen, die Wasser aus den Flüssen verwenden, sowie die warmen Lufttemperaturen der letzten Jahre. Sorgen bereitet auch die Belastung mit hormon-ähnlichen Stoffen, die Auswirkungen auf verschiedene Tierarten haben.
Die Tierwelt erholte sich unerwartet rasch von den Folgen der Brandkatastrophe. Viele Kleintierarten besiedelten den abgestorbenen Teil des Rheins aus Abschnitten, die oberhalb von Schweizerhalle liegen, sowie aus einmündenden Nebenflüssen. Gleichzeitig wurden unbeabsichtigt neue, exotische Arten aus anderen Kontinenten, wie der Schlickkrebs und die Körbchenmuschel, mit Schiffen in den Rhein eingeführt. Diese exotischen Arten können gut mit veränderten Umweltbedingungen umgehen, sind sehr konkurrenzstark und verdrängen einheimische Arten. Die Zunahme der exotischen Arten im Rhein zeigt einen ungebremsten exponentiellen Verlauf. So hat sich innerhalb von 10 Jahren die Artenzusammensetzung der wirbellosen Kleintiere im Rhein bei Basel dramatisch verändert. Mehr als 90 % der Biomasse besteht nun aus exotischen Arten. Die Wissenschaft macht sich Sorgen über das längerfristige Überleben der spezialisierten einheimischen Wassertiere.
Der Lachs war früher weit im Rhein verbreitet. Wegen der starken Wasserverschmutzung und baulichen Umstrukturierungen des Flusses (Stauwehre, betonierte Kanäle) verschwand der Lachs Mitte des 20. Jahrhunderts aus dem Rhein. Aufgrund der verbesserten Wasserqualität wird die Wiedereinbürgerung des Lachses durch zwei grenzübergreifende Programme Lachs 2000" und Rhein 2020" auch politisch vorangetrieben. Inzwischen zeichnen sich erste Erfolge bei der Wiederherstellung der Durchwanderbarkeit einzelner Flussabschnitte ab. In den Jahren 2004 und 2005 konnten in zwei Zuflüssen des südlichen Oberrheins neue Lachslaichgruben nachgewiesen werden.
Diese Fakten und weitere interessante Aspekte des Rheins werden im Rahmen eines öffentlichen Symposiums am 25. Oktober 2006 an der Universität Basel vorgestellt.
Prof. Dr. Bruno
Baur
Institut für Natur-, Landschafts- und Umweltschutz,
Universität Basel, St. Johanns-Vorstadt 10, 4056 Basel
Tel. 061 267 08 29 Fax 061/267 08 32 email:
bruno.baur@unibas.ch
Dr. iur. Jürg Hofer
Amt für Umwelt und Energie Basel-Stadt
Hochbergerstrasse 158, 4019 Basel
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