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Basel, 2. Juli 2004

Ist der Erdbockkäfer in Basel verschwunden?

Der seltene Erdbockkäfer kommt in der Schweiz nur an drei Stellen vor. Der bekannteste Standort dieser geschützten Art liegt am Rheinufer mitten in Basel. Seit 20 Jahren wird von Fachleuten jeden Frühling die Bestandesgrösse der dort ansässigen Käfer erfasst. In den vergangenen sechs Jahren nahm diese kontinuierlich ab. Im Frühjahr 2004 wurden zum ersten Mal keine Erdbockkäfer mehr beobachtet. Es muss befürchtet werden, dass der Basler Erdbock-Bestand erloschen ist. Das lokale Verschwinden dieser bekannten Käferart muss als Zeiger für das unvermindert anhaltende Aussterben vieler kaum wahrgenommener Kleintiere in der Schweiz betrachtet werden.

In Basel gilt der sechsbeinige Kerl mit den hellgrau behaarten Deckflügeln als Sympathieträger für den Naturschutz. Wegen seines Lebensraumes stand er mehrfach in den Schlagzeilen. Wie viele andere Tier- und Pflanzenarten ist der Erdbockkäfer an die speziellen Bedingungen seines Lebensraumes angepasst. Werden diese verändert oder sein Areal zerstört, führt dies unweigerlich zum Erlöschen des lokalen Vorkommens. Der ursprüngliche Lebensraum an der Rheinböschung wurde durch verschiedene Bauvorhaben in den 1980er und 1990er Jahren beträchtlich verkleinert. Um den bedrohten Käfer in der Stadt erhalten zu können, beschloss der Regierungsrat im Juli 1996, das Rheinbord unter Naturschutz zu stellen.

Aussergewöhnlicher Lebenszyklus

Der Erdbockkäfer kann nicht fliegen. Die Weibchen sind 14 bis 17 mm lang, die Männchen etwas kleiner. Die geschlechtsreifen Tiere kriechen Ende März/Anfang April aus dem Boden hervor und suchen zwischen den Gräsern herumkrabbelnd nach Geschlechtspartnern. Dabei spielen vermutlich Duftstoffe (Pheromone) eine wichtige Rolle. Nach erfolgter Paarung sucht das Weibchen geeignete Pflanzen zur Ablage der 4 Millimeter langen Eier. Nach drei bis fünf Wochen schlüpft eine winzige Larve aus dem Ei, die sich bald in den Boden zurückzieht, wo sie die folgenden Jahre verbringt und sich vorwiegend von Graswurzeln ernährt. Nach mehreren Häutungen und einer Überwinterung verpuppt sich die Larve und nach etwa drei Wochen schlüpfen die ausgewachsenen Käfer. Diese bleiben allerdings während des Winters noch im Erdreich bis die wärmenden Sonnenstrahlen sie im Frühling zum Hervorkriechen veranlassen. Der Erdbockkäfer hat einen zweijährigen Entwicklungszyklus, ausgewachsene Käfer sind jedoch nur während eines Monates im Frühling zu sehen. Die Seltenheit der Tiere und ihre starke Gefährdung bewogen die Schweizer Behörden, den Erdbockkäfer landesweit unter Schutz zu stellen.

Bedrohter Lebensraum

Mit geeigneten Pflegemassnahmen wurde versucht, den geschützten Lebensraum des Erdbockkäfers am Rhein aufzuwerten. Von diesen Massnahmen konnten auch andere Kleintiere und zahlreiche Pflanzen profitieren. Seit 20 Jahren wird die Bestandesgrösse jeden Frühling von Fachleuten ermittelt. 1988 wurde der Bestand auf knapp 1000 Käfer geschätzt. In den vergangenen Jahren nahm die Zahl aber stark ab und im Frühling 2004 wurden zum ersten Mal keine Erdbockkäfer mehr gefunden. Es muss befürchtet werden, dass der Basler Erdbockkäfer-Bestand erloschen ist.

Im grenznahen Elsass und südbadischen Raum gibt es noch vereinzelte Erdbockkäfer-Bestände, die dank einer geringeren Bewirtschaftungsintensität ihrer Lebensräume bisher überlebten. Untersuchungen von Forschern des Instituts für Natur-, Landschafts- und Umweltschutz der Universität Basel zeigten, dass die Ausbreitungsleistung des flugunfähigen Käfers zu gering ist, um von dort aus die Basler Rheinböschung wieder besiedeln zu können.

Ein sprechendes Beispiel

Ähnlich wie dieses gut dokumentierte Beispiel sind neuerdings auch Abnahmen bei anderen, bisher in der Schweiz weit verbreiteten und häufigen Pflanzen- und Tierarten festzustellen. Praktisch unbemerkt werden Arten mit ehemals grossen Beständen wie der Wiesensalbei und der Baumpieper vielerorts immer seltener.

Nicht am falschen Ort sparen

Die gezielte Förderung einzelner Pflanzen- oder Tierarten mit geeigneten Massnahmen ist machbar. Die Entbuschung von Trockenwiesen ist beispielsweise ein geeignetes Vorgehen zur Förderung lichtbedürftiger Orchideen. Fachleute schätzen, dass für etwa 90 % der bisher bekannten seltenen und gefährdeten Arten das wissenschaftliche Know-how für eine erfolgreiche Förderung vorhanden ist. Die Defizite bestehen beim politischen Willen, die vorhandenen, an sich durchaus griffigen gesetzlichen Grundlagen umzusetzen, die dafür benötigten Mittel bereitzustellen und die kompetenten Fachleute einzusetzen. Die dokumentierten Artenschutzerfolge zeigen nämlich, dass sich der entsprechende Einsatz lohnen würde.

Bildmaterial:

 

Es ist zu befürchten, dass der Erdbockkäfer in Basel ausgestorben ist. (Foto: Armin Coray)

 

Weitere Auskunft:

Prof. Dr. Bruno Baur
Institut für Natur-, Landschafts- und Umweltschutz
Universität Basel
St. Johannsvorstadt 10
4056 Basel
Tel: 061 267 08 29, Fax: 061 267 08 32
E-mail: bruno.baur@unibas.ch

PD Dr. Daniel Burckhardt
Präsident der Entomologischen Gesellschaft Basel
Naturhistorisches Museum
Augustinergasse 2
4001 Basel
Tel: 061 266 55 38
E-mail: daniel.burckhardt@unibas.ch

 

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